COUNTER DISINFORMATION PROJECT
BEWUSSTSEIN SCHAFFEN ÜBER DEN EINFLUSS (INTER-)NATIONALER DESINFORMATIONSGRUPPEN AUF DEBATTEN ZUR ÖFFENTLICHEN GESUNDHEIT
*Es handelt sich um eine Republikation eines älteren Beitrags vom 4. August 2022 auf Ostprog.de.
Karam Bales ist wahrscheinlich am bekanntesten geworden durch seine journalistische Arbeit für das Medium Byline Times. Darin enthüllte er den Einfluss von Gruppen von Impfgegner:innen wie UsForThem und HART auf das Beratungspanel des britischen Joint Committee on Vaccination and Immunisation (JCVI). Gewissermaßen spiegelbildlich zu Deutschland, wo ein Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) – vergleichbar zum JCVI – drei verschiedene offene Briefe der Gruppe Initiative Familien unterstützte. Einer Gruppe, die ihre engen Verbindungen und regelmäßigen Interaktionen mit Mitgliedern der Querdenkenbewegung mehrfach und zu verschiedensten Anlässen mehr als verdeutlicht hat.
Nachdem Bales und ich uns bereits im Dezember vergangenen Jahres über Parallelen zwischen UsForThem und der Initiative Familien ausgetauscht hatten, nahm dieser im April einen weiteren vergleichenden Blick auf diese Gruppen vor.
Aber die Arbeit von Bales ist noch nicht beendet, vor allem da diese Gruppen weiterhin operieren. Am 5. Juli eröffnete er das Counter Disinformation Project. Ein Projekt mit Ähnlichkeiten zu Allison Neitzels journalistischer Arbeit – mit Schwerpunkt auf den Vereinigten Staaten – Misinformation Kills. In Deutschland sind es vor allem die Journalistin Annette Bulut und ich, die zu ähnlichen Vernetzungen berichten.
EIN LEHRER, DER DIE ÖFFENTLICHKEIT UNTERRICHTET

Karam Bales Arbeit als Journalist begann am Anfang der Pandemie. Er ist aber auch aktiver Lehrer und ehemaliges Vorstandsmitglied der National Education Union (NEU), einer Lehrergewerkschaft im Vereinigten Königreich. Seine journalistische Motivation ist es, Desinformationsgruppen zu COVID-19 aufzudecken, nachdem er bereits deren Einfluss auf den Verlauf der Debatte zur öffentlichen Gesundheit und damit auch auf das tägliche Leben im Vereinigten Königreich gesehen hat.
Bales erzählte mir, dass er nach seiner Arbeit für Byline Times „investigativen Journalist:innen eine große Menge an Hintergrundrecherchen zur Verfügung gestellt hat.“ Diese beinhalten Berichte, die derzeit auch von Behörden in den Vereinigten Staaten diskutiert werden, fügte er hinzu.
Eine grundlegende Besorgnis und Antrieb für sein neues Projekt war die große Komplexität des Themas. „All die Verbindungen mit einem angemessenen Standard zu erklären ist sehr schwierig, wenn man für einen Beitrag Wortbegrenzungen einhalten muss.“ Obwohl die meisten Informationen bereits öffentlich auf Twitter verfügbar sind, kann es für Neuankömmlinge manchmal schwer nachzuvollziehen sein, räumt er ein.
„Einfach nur einen komplexen verschachtelten Twitter-Thread – mit Threads innerhalb von Threads – zu versenden funktioniert nicht, wenn man möchte, dass die Menschen erfahren was wirklich vor sich geht. Man muss wirklich zurück zu den Grundlagen gehen. Wir haben mit verschiedenen Journalist:innen gesprochen und es ist ziemlich überraschend, wie wenig diese wissen.“
Bei der Veröffentlichung dieser Berichte traf Bales die Entscheidung, die Informationen in einem Format zu veröffentlichen, das für die Öffentlichkeit und Journalist:innen leicht verdaulich ist. Sein Bericht über die im April 2020 gegründete und mit HART verbundene Desinformationsgruppe Pandata hat den Weg zu verschiedenen Journalist:innen gefunden. „Ich habe heute mit einem Autor einer der großen britischen Zeitungen gesprochen. Sie fanden das sehr hilfreich, weil es alles in mundgerechten Abschnitten darlegt.“
DAS INTERNATIONALE NETZWERK DER COVID-19-LEUGNUNG

In einer globalisierten und digitalisierten Welt bildeten COVID-Desinformationsgruppen bereits seit Beginn der Pandemie sowohl informelle als auch eher formalisierte Verbindungen. Deutsche investigative Journalist:innen des Mediums Correctiv berichteten im April 2022 über Teile eines solchen internationalen Netzwerks und verwiesen dabei unter anderem auf bekannte deutsche COVID-19-Leugner wie Sucharit Bhakdi, Markus Haintz und Reiner Fuellmich.
Der Bericht von Bales weist auf eine weitere Verbindung in diesem Netzwerk hin. Pandata. Bhakdi war – und ist möglicherweise noch immer – Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Pandata. Und doch gibt es noch mehr bekannte Deutsche, die in dem Bericht auftauchen. Die Querdenker Wolfgang Wodarg und Andreas Sönnichsen standen in Kontakt mit Pandata-Gründungsmitglied Michael Yeadon, dessen Name auch in den digitalen Mitgliederakten von HART auftauchte.
Sönnichsen erscheint auch auf einer öffentlich zugänglichen Liste als Unterstützer der deutschen Lobbykampagne Corona-Strategie. Diese wurde unter anderem von den Deutschen Klaus Stöhr und Jonas Schmidt-Chanasit gegründet. Beide stehen aufgrund vergangener Aussagen und Interaktionen im Verdacht, die Great Barrington Declaration zu unterstützen. Zur Deklaration später mehr.
Seitdem ist Yeadon in den Vereinigten Staaten aktiv, nahm dort seine Tätigkeit mit einem ehemaligen Pandata-Kollegen wieder auf und beriet die Desinformationsgruppe Americas Frontline Doctors (AFD). Ein Gründungsmitglied der AFD – Simone Gold – wurde kürzlich wegen ihrer Rolle bei den Unruhen im Kapitol am 6. Januar 2021 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Die Arbeit von Bales basiert auf einem Leak interner Informationen. „HARTleaks“ genannt. Eine Goldgrube für Bales und andere Journalist:innen. „Was die Unterlagen zeigten, war, dass viele dieser Mitglieder zuvor nie öffentlich als Mitglieder von Pandata in Erscheinung traten. Sie hatten nie ihren Namen auf dieser Website einsehbar.“
Yeadon ist ein solches Beispiel. Sein Name tauchte weder auf der Website von Pandata noch auf der Website von HART auf. Obwohl er in diesen Gruppen eine Schlüsselrolle spielte, sagt Bales. „Als HART gegründet wurde, wurde es mit der Hilfe eines Mitglieds des britischen Oberhauses und einiger anderer Leute gegründet. Und die erste Gruppe, die sie dazu brachten, HART beizutreten, bestand hauptsächlich aus Mitgliedern, die bereits in Pandata waren.“ Eines dieser ersten Mitglieder: Michael Yeadon.

Der wissenschaftliche Beirat von Pandata ist außerdem mit Martin Kulldorff, Sunetra Gupta und Jay Bhattacharya besetzt. Das sind auch die Autoren der berüchtigten Great Barrington Declaration (GBD). Eine Erklärung, die auf eine natürliche Herdenimmunitätsstrategie drängt, die von der eindeutigen Mehrheit der wissenschaftlichen Gemeinschaft abgelehnt wird.
Kulldorff hat Unterstützung für verschiedene Proteste gegen Coronamaßnahmen auf der ganzen Welt gezeigt, etwa für Kanadas Trucker-Konvoi. Kulldorff ist auch Mitglied des GBD-nahen Brownstone Institute mit Sitz in den Vereinigten Staaten. Im Dezember 2021 teilte er einen Artikel dessen Gründers – Jeffrey Tucker – mit Anschuldigungen gegen, wie er es nennt, eine „herrschenden Klasse, die Angst davor hat, entlarvt zu werden“, während er Vergleiche zu Coronamaßnahmen der Regierungen sowie dem Ersten Weltkrieg und dem Aufstieg Adolf Hitlers zog. Tucker fragt: „Wer wird für diese Verwüstung verantwortlich gemacht?“ und zeigt eine Guillotine als Titelbild.
Laut Journalismusplattform The Citizens, soll Jeffrey Tucker um Januar 2022 auch Fehlinformationen über die Wirksamkeit der Impfstoffe in Uganda verbreitet haben.
Im September 2021 trat Pandata-Mitbegründer Nick Hudson in einem Interview bei AllesAufDenTisch auf.
NETZWERKEN GEGEN DIE ÖFFENTLICHE GESUNDHEIT
Hinter den Kulissen hat Bales Beweise dafür gesammelt, dass diese Gruppen und Einzelpersonen Informationen austauschen und ihre Kampagnen entsprechend organisieren. Durchgesickerte Informationen haben enthüllt, dass es absprachen dazu gab, welche Gruppe am besten geeignet wäre, bestimmte Papiere zu veröffentlichen.
Bales paraphrasiert diese internen Gespräche folgendermaßen: „Dies ist nicht ganz richtig für UsForThem oder HART, aber wir werden dies über die UK Medical Freedom Alliance veröffentlichen, die keine Mainstream-Werbung erhält und eher Informationen, Flugblätter und Flyer an Demonstranten auf der Straße verteilt. Die Hauptzusammenarbeit zwischen HART und diesen anderen Gruppen erfolgt über Michael Yeadon. Yeadon ist auch bei Doctors for Covid Ethics aktiv, das einige Mitglieder von UsForThem beherbergt.“
„Bei Pandata ist das hauptsächliche Problem der Einfluss, den sie auf die Politik hatten. In den Vereinigten Staaten hat beispielsweise das Select Subcommittee on the Coronavirus Crisis erklärt, dass die Bemühungen des ehemaligen Trump-Beraters Scott Atlas und seiner Kollegen – von denen nicht wenige in Pandata waren, einschließlich Atlas selbst – für vermeidbare Verluste an Menschenleben in den USA verantwortlich waren.„
Der Unterausschuss hat Pandata nicht beim Namen genannt, aber Bales und andere Journalisten sind derzeit dabei, mit einigen der Beteiligten Kontakt aufzunehmen, um „sie darüber zu informieren, dass sie nicht nur auf eine Handvoll fehlgeleiteter Randwissenschaftler schauen, sondern auf etwas viel systematischeres und viel organisierteres.“
„Das ist etwas, das für die Leute ziemlich schwierig zu verstehen ist. Weil man von einem Gremium aus Wissenschaftlern, Akademikern und republikanischen Politikern spricht, die in allen möglichen Organisationen grenzüberschreitend zusammenarbeiten. Es klingt weit hergeholt, dass Sie eine solche Gruppe haben, die versucht, die Reaktion auf die Pandemie in ganz Nordamerika und ganz Europa zu manipulieren. Ohne zunächst alle Beweise zu liefern, klingt es verrückt.“
Aber Bales ist zuversichtlich. Die von HARTleaks gesammelten internen Protokolle, die Mitgliederdatenbank und die interne Struktur zeigen „ohne Zweifel“, dass dieses Netzwerk real ist und einen bedeutenden Einfluss auf die Politik im Kampf gegen die Pandemie hatte, sagte mir Bales.
FINANZIERUNG VON DESINFORMATIONEN
Einige dieser Gruppen haben rechtliche Anfechtungen gegen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit erhoben. „Was wir feststellen: In den meisten dieser Fälle bringen sie vier- oder fünfmal mehr Mittel auf, als zur Zahlung der Gerichtsgebühren erforderlich sind. Einige dieser Crowdfunder:innen, die wir uns angesehen haben, geben an, dass überschüssige Mittel für ihre Kampagnen verwendet werden. Es wird viel Profit gemacht.“
Ein Beispiel, das Bales liefert: „Simone Gold hatte für ihren Prozess bei der Anhörung am 6. Januar 430.000 US-Dollar gesammelt. Mehr als für ihre Rechtsverteidigung benötigt wurde. Dieses Geld geht direkt an die American Frontline Doctors und zahlt ihr Gehalt für die Führung der Organisation.“ Golds eigener Anwalt distanzierte sich von ihr und teilte anderen mit, dass sie die Rechtsverteidigung aus eigener Tasche bezahlt habe und dass die geforderte Summe weit über seinen Kostenforderungen stehe.
Bales sagt, es sei unklar, woher das Geld für die rechtlichen Anfechtungen der Desinformationsgruppen des Vereinigten Königreichs komme. Spenden unter 500 Pfund können anonym getätigt werden. Das schränkt jede Möglichkeit der Herkunftsverfolgung ein und erinnert Bales an das Vorgehen von Kampagnengruppen, die in der Vergangenheit für den Brexit geworben haben.
„Dies ist eines der Dinge, die wir uns ansehen, während das Projekt voranschreitet. Wir planen, uns für eine Änderung der Vorschriften für den Betrieb von Crowdfunding einzusetzen. Es ist zu undurchsichtig. Die Regierungen müssen handeln und ihre Regeln ändern.“
„GASLIGHTING“ UND ANDERE STRATEGIEN DES „SILENCING“
„Wir hatten eine Menge Versuche von anderen, Menschen zum Schweigen zu bringen, sowie Drohungen und missbräuchliches Verhalten. Ich kenne ziemlich viele Leute, mit denen ich gearbeitet habe, die einen Schritt zurückgetreten sind, weil sie ständig beschimpft wurden. Eine andere Sache, die wir sehen, sind Vorwürfe, die auch gegenüber Arbeitgeber:innen erhoben werden. Sowie unbegründete Behauptungen oder falsche Darstellungen dessen, was jemand gesagt hat.“
Besonders Akademiker seien unter Druck, sagt Bales. Einige dieser Angriffe, fügt er hinzu, stammen auch von anderen Akademikern, die aus dem Spektrum der COVID-19-Skeptiker kämen und sich für eine Herdenimmunitätsstrategie einsetzen. „Sie sind nicht bereit, sich zu äußern, oder haben eher Angst, solche Leute anzurufen, wenn sie sich äußern.“ Freunde in den Vereinigten Staaten mit denen er gesprochen habe, werden in einem noch besorgniserregenderen Ausmaß behandelt, so Bales weiter.
Im Dezember 2021 wurde die Leiterin der kalifornischen Ärztekammer – Kristina Lawson – mutmaßlich von einer der AFD nahestehenden Gruppe verfolgt. Mitglieder, berichtete sie auf Twitter, hätten ihr Haus beobachtet, seien ihr zu ihrem Arbeitsplatz gefolgt und hätten eine Drohne über ihr Haus fliegen lassen.
Bales fügt hinzu: „Die Namen dieser Freunde wurden online mit Bildern von Schlingen veröffentlicht.“ Zu den Nachrichten, die sie laut Bales erhalten haben sollen: „Nürnberg 2.0“ und „Ihr werdet die Ersten sein, die gehängt werden, wenn Gerechtigkeit kommt.“
„Das macht es schwieriger, weil es weniger Stimmen gibt, die bereit sind, sich zu äußern. Auch im Vereinigten Königreich erleben wir eine sehr feindselige Debatte. Die Menschen, die am wenigsten missbraucht werden, sind die skeptischen Lobbyisten der Herdenimmunität. Sie versuchen nicht, mit irgendjemandem in Kontakt zu treten. Sie kuratieren wirklich ihre Social-Media-Timelines. Jeder, der mit ihnen nicht einverstanden ist, wird einfach blockiert.“
Im Jahr 2020 musste Bales die Polizei kontaktieren, nachdem er Morddrohungen erhielt. Er wurde sowohl online als auch telefonisch belästigt. Im Laufe der Zeit war er selbst weniger Anfeindungen und Drohungen ausgesetzt. Die akutesten Bedrohungen seien während der Schulschließungen wegen der Pandemie ausgesprochen worden, sagte Bales mir. Er macht rechte Medienkampagnen gegen Bildungsgewerkschaften verantwortlich.
Nachdem sie Einblicke in die interne Kommunikation von HART erhalten hatten, wurde zugleich deutlich, welche Strategie diese sich zurechtlegten, um mit den Leaks und den beteiligten Journalist:innen zu verfahren. Dies war möglich, da Hacker auch nach dem Bekanntwerden der Leaks noch eine Zeitlang Zugriff auf ihre Plattform hatten. „Dann konnten wir ihre Gespräche über das, was wir gepostet haben, sehen. Es gab ein Gespräch über mich und sie entschieden, dass der einfachere Weg, mit mir umzugehen, darin bestand, sich zu weigern, mit mir zu interagieren. Im Sinne von: Lass dich nicht mit ihm ein. Wenn ihr euch auf ihn einlasst, wird man der Geschichte mehr Publizität verleihen.“

Danach wurde Bales von vielen Konten auf Twitter blockiert. Einige davon hatte er zuvor nicht einmal mit HART in Verbindung gebracht. Darunter auch Regierungsberater des Vereinigten Königreichs. „Es kann nicht garantiert werden, aber es macht mich leicht misstrauisch.“ Nichtsdestotrotz sind Akademiker im Vereinigten Königreich „schrecklichem Missbrauch“ ausgesetzt gewesen, der ihnen von größeren Accounts zugefügt wurde, die jeweils zuvor ihre „Ziele“ markierten, sagt Bales.
Der Suizid der österreichischen Ärztin Lisa-Marie Kellermayr – nach Morddrohungen von Querdenker:innen, die sie über einen längeren Zeitraum ins Visier genommen hatten – hat die Öffentlichkeit erneut auf die Gefahren solchen Verhaltens und die Notwendigkeit von institutionellen Reformen bei Polizei und anderen öffentlichen Behörden aufmerksam gemacht. Inzwischen haben einige Wissenschaftler aus Deutschland die Plattform Twitter verlassen, die sich ähnlichen Angriffen zumeist schutzlos ausgesetzt sehen.
Eine andere Methode des „Silencing“ ist die sogenannte Strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung (SLAPP). Chan-jo Jun – ein berühmter Anwalt aus Deutschland, insbesondere für sein Engagement gegen Querdenken, hat nach einer Reihe solcher Klagen kürzlich ebenfalls das Social Media Netzwerk verlassen. In einem kürzlich erschienenen Artikel für sein Projekt sammelte Bales ähnliche Fälle unter dem Titel „Lawfare“.
#UNMASKUSFORTHEM
UsForThem hat laut Bales kürzlich das Buch einer „eindeutigen Verschwörungstheoretikerin“ beworben. „Eine ihrer Lieblingsnarrative ist, dass sie zwei Jahre vor der Pandemie belauscht hat, wie Apple-Mitarbeiter über zeitreisende Nanopartikel gesprochen haben, die in Impfstoffe eingebaut werden.“ Molly Kingsley und Liz Cole – beide prominente Mitglieder von UsForThem – haben ebenfalls einen Artikel für das Brownstone Institute geschrieben. Kingsley hat jetzt offiziell bezüglich Kinderimpfungen folgendes zu Protokoll gegeben: „Die fortgesetzte Durchführung bei Kindern sieht immer weniger wie eine legitime Entscheidung im Bereich der öffentlichen Gesundheit aus und immer mehr wie eine Handlung, die eine Gefängnisstrafe verdient.“
Eine Rhetorik, die üblichen Impfgegnern nicht unähnlich ist, und eine Entwicklung hin zu einer radikaleren Herangehensweise andeutet. Eine ähnliche Entwicklung – wenn auch nicht annähernd so offen gegen Impfungen – wie etwa bei der jüngsten Stellungnahme der Initiative Familien zu beobachten ist.
„Wir beobachten noch die weitere Entwicklung. Erst vor kurzem hat UsForThem einen Gang höher geschaltet und wir hoffen, dass auch mehr Politiker aufhören werden, sie zu unterstützen, denn es ist ziemlich klar, wohin die Reise geht.“ Ein Mitglied der Gruppe habe sogar angeboten, mit Bales bei der Kampagne gegen die Privatisierung der Kinderbetreuung zusammenzuarbeiten, wenn er aufhöre, ihren Widerstand gegen die Impfung von Kindern zu kritisieren, erklärte er. „Ich sehe das als Versuch an, mich zu befrieden. Darin findet sich auch die Idee wieder, andere Menschen einfach aufzukaufen.“
Mitglieder von UsForThem waren auch an der COVID-19-Untersuchung des Vereinigten Königreichs beteiligt. „Die Änderung, die sie an den Aussagen der Untersuchung vornehmen wollten, hat ihren Weg in die endgültige Fassung gefunden. Es wurde beinahe Wort für Wort übernommen.“ Auch in Deutschland hat Andrea Knipp-Selke, Mitglied der Initiative Familien, ihren Weg in den sogenannten Sachverständigenausschuss gefunden. Ihr Beitrag zum Endergebnis ist jedoch nicht so offensichtlich wie im Fall von UsForThem.
Und Bales macht noch einen Punkt in Bezug auf die Gruppe: „Ihr langfristiges Ziel war es, Schulen zu einer kritischen Infrastruktur zu machen.“ Das fordert auch die Initiative Familien, trotz gegenteiliger Argumente von Experten. Auch Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat immer wieder gefordert, Schulen als kritische Infrastruktur zu deklarieren und auf ähnliche Weise über angebliche Nachteile von Masken für den Spracherwerb von Schülern gesprochen, ohne dass dies von Journalisten in Frage gestellt wurde.
Bales kritisiert solche Schritte und argumentiert, dass es unvorsichtig sei, Schulen um jeden Preis offen zu halten, sei es bei zukünftigen Pandemien oder anderen Katastrophen, für die der Begriff „kritischen Infrastruktur“ überhaupt entworfen wurde.
VERGLEICH DER DISKURSE IM VEREINIGTEN KÖNIGREICHS UND DEUTSCHLANDS
Auf die Frage nach seiner eigenen Einschätzung zum Einfluss der Great Barrington Declaration und der daran beteiligten Personen auf die Debatte antwortete Bales: „Was die Great Barrington Declaration bewirkte: Sie nahm all diese unterschiedlichen Gruppen und führte sie zu einer einheitlichen Bewegung zusammen, die es ihnen dann ermöglichte, viele neue Organisationen zu gründen. Dies ermöglichte ihnen, effektivere Fundraising- und Rechtsverfahren gegen Maßnahmen durchzuführen. Einige von diesen Gruppen – wie HART – wurden kurz nach Veröffentlichung der Erklärung gegründet. Andere entstanden im Frühjahr 2021. Der Telegraph, der Daily Express und der Spectator förderten diese Leute und unterstützten die Erklärung.“
In Deutschland war es unter anderem das Medium WELT, das Kulldorff und seine Positionen verharmloste. So lud man Kulldorff im April 2021 zu einem Gespräch. Im November 2021 fragte der WELT-Journalist Tim Röhn in einem Meinungsbeitrag: „Warum glauben sie zu wissen, dass der Virologe Christian Drosten in Sachen Pandemie-Bekämpfung mehr Expertise hat als etwa Kulldorff oder Ioannadis?“ Ioannidis ist in der Vergangenheit als Verteidiger der Autor:innen der Great Barrington Declaration aufgefallen und hat persönliche Verbindungen zu einem der Autoren. Nach eigenen Angaben lehnte er aber eine Unterschrift ab.
Besorgt über die Situation vor Ort wies Bales darauf hin, dass derzeit viele Unterrichtsstunden abgesagt werden, da sich Mitarbeiter mit COVID-19 infizieren. Diese wirken sich auch auf die Moral von Schulkindern und Lehrern aus. Ohne Maskenpflicht unternehmen jedoch weder Eltern, Kinder noch Mitarbeiter die notwendigen Schritte, um sich zu schützen, sagt er und fügt hinzu, dass viel Vertrauen in die beschlossenen Maßnahmen der Regierung bestehe, obwohl diese „katastrophale Auswirkungen“ haben und dem öffentlichen Ziel der Regierung widersprechen Schulen offen zu halten. „Ich kann nicht einmal Leute dazu bringen in meiner Schule Masken zu tragen. Selbst wenn wir zehn Leute haben, die bereits krank sind.”

Es gab ähnliche Berichte über Unterrichtsausfälle an deutschen Schulen, in denen auch die Maskenpflicht abgeschafft wurden, was zusätzliche Probleme zum Lehrermangel in Deutschland verursacht.
„Aber COVID-19 ist im Vereinigten Königreich vorbei. Alle, von der BBC bis zu Sky. Wenn man den Fernseher einschaltet, sprechen jetzt alle von der »Post-COVID-Ära«. Diese Woche sind eintausend Menschen gestorben“, hob er hervor und schüttelte dabei den Kopf.
Was zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich identisch ist, ist der Gebrauch – oder Missbrauch, je nach politischer Zugehörigkeit – des Begriffs „Eigenverantwortung“ („individual responsibility“ im Vereinigten Königreich). Im Gegensatz dazu vermeidet der Diskurs im Vereinigten Königreich das Wort „Normalität“, das zu einem weiteren Grundpfeiler der Debatte in Deutschland geworden ist.
„Wir haben uns nicht wirklich für das Wort »Normalität« entschieden. Wir haben uns für »Leben mit dem Virus« entschieden, weil es so klingt, als würden wir immer noch Dinge tun. »Normalität« ist das, was sie in den Vereinigten Staaten verwenden. Nimm als Beispiel die Gruppe Urgency of Normal.“
Letztere Gruppe ist dafür bekannt, für mehrfache Fehlinformationen über die Pandemie sowie ihre und Verbindungen zum Brownstone Institut. Die Gruppe wird sogar von der deutschen Initiative Familien angepriesen.
„Focused protection“ – ein Hauptargument der Great Barrington Declaration – hat die öffentliche Debatte vernebelt, sagte Bales. Risikogruppen wurden antivirale Medikamente versprochen, aber es stellte sich heraus, dass die Regierung laut Bales keinen ausreichenden Zugang zu diesen Medikamenten gewährte. „Risikogruppen werden hauptsächlich mit älteren Menschen identifiziert, auch wenn Risikopersonen in der Realität nicht an eine bestimmte Altersgruppe gebunden sind. Ihre Argumente und Maßnahmen werden dem Anspruch nicht gerecht, dass sie ausreichend Schutz bieten können.“
Hört man auf die Schilderungen von Bales zur Situation in den Schulen vor Ort, wird deutlich, warum der öffentliche Diskurs im Vereinigten Königreich den Begriff „Normalität“ vermeidet. „Sie ignorieren einfach die Tatsache, dass Krankenhäuser zusammenbrechen und fast jede einzelne Notaufnahme in höchster Alarmbereitschaft ist. Es gibt Menschen mit Schlaganfällen oder Herzinfarkten, die zwölf Stunden auf einen Krankenwagen warten. Ich habe diese Geschichte im Radio von jemandem gehört, der nach einem Schlaganfall selbst ins Krankenhaus gefahren ist. Unsere übermäßigen Todesraten steigen, weil Menschen in Krankenwagen sterben. Aber davon ist keine Rede.“

Für Bales hat die derzeit laufende Führungswahl der Konservativen nach dem angekündigten Rücktritt des derzeitigen Premierministers Boris Johnson zu einer Situation des Schweigens über die Probleme an der Basis geführt. „COVID-19 wurde nicht ein einziges Mal als Problem erwähnt, mit dem wir uns befassen müssen. Es wurde nur als ein Problem erwähnt, mit dem wir uns befasst haben.“
„Mein eigenes Leben wird beeinflusst. Warum sollte ich das ein paar Monate ertragen müssen, um Menschen zu schützen? Das Gerede über konzentrierten Schutz, solange sie nichts tun müssen“, umschreibt Bales die Idee von UsForThem und ähnlichen Desinformationsgruppen. Er hofft auf mehr kollektive Verantwortung.
Da das gesellschaftliche und politische Klima während der Pandemie im Vereinigten Königreich keine Anzeichen dafür zeigt, dass dieser einfühlsame Ansatz für die öffentliche Gesundheit verfolgt wird, wird Karam Bales seine Arbeit fortsetzen. Diejenigen enttarnend, die keinen Schaden haben, während sie diesen den Schwächsten in der Pandemie antun.